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Allgemeine Informationen

Baubeginn: 1904
Fertigstellung: 15. November 1906
Status: in Nutzung

Bauweise / Bautyp

Funktion / Nutzung: Bahnhofsgebäude
Baustil: Neubarock

Preise und Auszeichnungen

2015 Einreichung  

Lage / Ort

Lage: , ,
Teil von:
Koordinaten: 50° 4' 13.79" N    8° 14' 37.29" E
Koordinaten auf einer Karte anzeigen

Technische Daten

Abmessungen

Bahnsteighalle Gesamtlänge 190.00 m
Stützweiten 25.45 m - 3 x 17.50 m - 21.05 m
Anzahl Felder 5
Gesamtbreite 99.00 m

Anwendungsberichte und verwendete Produkte

Denkmalgeschützte Bahnsteighallen unter laufendem Betrieb erneuert

Denkmalgeschützte Bahnsteighallen unter laufendem Betrieb erneuert

Die Erneuerung der Gleisüberdachungen der fünf Bahnsteighallen des Wiesbadener Bahnhofs lässt sich auf Basis der PERI Lösung mit quer und längs verfahrbaren Arbeits- und Schutzplattformen zügig und ohne wese ... [mehr]

Sanierung der Bahnsteighalle des Wiesbadener Hauptbahnhofes

Aufgabenstellung

Der unter Denkmalschutz stehende Wiesbadener Hauptbahnhof besteht aus dem Bahnhofsgebäude mit Querbahnsteig und der Bahnsteighalle, welche unmittelbar an die Querhalle angrenzt. Die Bahnsteighalle ist eine über hundert Jahre alte Stahlkonstruktion mit fünf Hallenschiffen. Sie wurde 1904 von der Königlichen Eisenbahn Bauabteilung in Wiesbaden entworfen und in den Jahren 1905-1906 von der Gutehoffnungshütte Oberhausen, Werk Sterkrade, errichtet.

Im Laufe der vergangenen Jahrzehnte sind aufgrund der schadhaften Dacheindeckung und Entwässerungseinrichtungen erhebliche Schäden an der Hallenkonstruktion und an den Fassaden entstanden.

Während die Beschichtung der Stahlkonstruktion im vorderen Bereich der Halle noch in einem relativ guten Zustand angetroffen wurde, war die Korrosion im hinteren Hallenabschnitt zur Ausfahrt hin bereits weiter fortgeschritten. Die Bogenbinder hatten lokale Anrostungen. Bei den genieteten Kastenstützen stellte man im Bereich der Stützenfüße erheblichen Querschnittsverlust durch Blattrost fest. Nach Freilegung der Stützenfußpunkte entdeckte man besonders im Bereich der wechselnden Durchfeuchtung auf Höhe der Bahnsteigoberfläche narbenartige starke Abrostungen. Die letzten Stützenachsen vor der Hallenausfahrt wurden weniger durch das Dach geschützt und wiesen die größten Schäden auf. Stellenweise waren die Stützenwände an den Fußpunkten durchgerostet. Im Bericht des Bauwerksprüfers waren für die fünf Hallenschiffe insgesamt 42 standsicherheitsrelevante Schäden festgehalten.

Die Aufgabe war daher die Sanierung und Ertüchtigung der Bahnsteighalle. Die über hundert Jahre alte stählerne Tragkonstruktion des Daches war zu verstärken und mit einem neuen Korrosionsschutz zu versehen. Dachhaut und Dachentwässerung sowie Verglasung der aufgeständerten Laternen war zu erneuern. Alle Bauarbeiten hatten unter laufendem Bahnhofsbetrieb zu erfolgen.

Im Zuge der Aufgabe war die Generalplanung der Leistungsphasen 2, 3, 4, 6, 7, 9 zu erbringen, im Auftrag beinhaltet war auch die Tragwerksplanung für die Leistungsphasen 2, 3, 4 und 6.

Bei allen Sanierungsmaßnahmen am Hallendach waren stets die Belange des Denkmalschutzes zu berücksichtigen. Dies bezog sich sowohl auf die gestalterische Umsetzung als auch auf die zu verwendenden Materialien.

Beschreibung der Konstruktion

Die Gleishalle erstreckt sich in Längsrichtung über 20 Felder von je 9,50 m Länge, also insgesamt 190,00 m, und in Querrichtung über fünf Schiffe mit den Stützweiten 25,45 m – 3 x 17,50 m – 21,05 m, also insgesamt 99,00 m.

Die fünf Schiffe werden von Tonnendächern mit gleich hohen Scheitelpunkten überspannt. Auf den Tonnendächern sitzen satteldachförmige verglaste Laternen, die dem Lichteinlass und der Belüftung dienen. Außerhalb der Laternen waren die Tonnendächer mit einer in Querrichtung gespannten Holzverschalung mit Bitumenbahnen und Aluminiumkaschierung gedeckt. Die Holzbohlen lagen auf in Hallenlängsrichtung gespannten, als Gerberträger ausgeführten stählernen Pfetten auf.

Die Haupttragstruktur der Gleishalle ist eine genietete Stahlkonstruktion, welche die zeittypischen Konstruktionsmerkmale aufweist. In Hallenquerrichtung hat man in den 21 Achsen unterspannte Bogenträger angeordnet, die in den vier inneren Achsen B bis E durch eingespannte Kastenstützen getragen werden und in den Außenachsen A und F mit Rollenlagern auf den aus Sandstein gemauerten Außenwänden aufliegen. Die Bogenträger der Schiffe 2 und 4 sind biegesteif an die Stützen angeschlossen. Die beiden Anschlüsse des Bogenträgers in Schiff 3 sowie die Anschlüsse der Bogenträger in Schiff 1 und 5 an die jeweils innere Stütze in Achse B bzw. E sind gelenkig ausgeführt.

Auch in Hallenlängsrichtung sind die Stützen in den Achsen B bis E eingespannt. In den Endfeldern 1 und 20 wurden durch biegesteif angeschlossene Riegel in Höhe der Stützenköpfe Längsrahmen ausgeführt. In den übrigen Feldern sind die Längsriegel gelenkig an die Stützenköpfe angeschlossen. Zur Aussteifung der Tonnendächer in Längsrichtung sind in jedem zweiten Binderfeld Verbände vorhanden.

Wahl der Baustoffe

Durch ein Materialgutachten zur Altstahlkonstruktion wurde gezeigt, dass der vorhandene Konstruktionsstahl ungefähr die Festigkeitseigenschaften eines S 235 aufweist. Für die Materialuntersuchungen wurde an den Bogenbindern, Pfetten, Stützen, Längsrahmen und den Diagonalen der Laternen Prüfstücke entnommen. Diese unterzog man chemischen Analysen, außerdem wurden Zugversuche und Kerbschlagbiegeversuche durchgeführt.

Im Rahmen der Dacherneuerung wurden alle Pfetten durch neue Walzprofile der Materialgüte S 235 ersetzt. Die Laternen wurden nach altem Vorbild neu erstellt. Bei den neuen Bauteilen fanden wie bei der ursprünglichen Konstruktion Winkel- und U-Profile Verwendung. Um das Erscheinungsbild der alten Stahlkonstruktion nicht zu verändern legte man fest, Profile nur durch gleichartige Profile zu ersetzen und die Ansichtsflächen der Profile möglichst nicht zu vergrößern.

Die Laternen erhielten eine neue Dachverglasung mit Verbundsicherheitsglas und die Laternenlängswände wurden außen mit lamellenförmigen Aluminiumblechen verkleidet, die dem ursprünglichen Erscheinungsbild entsprechen.

Die vorhandene Dachhaut und Dachentwässerung wurde vollständig erneuert. Die neue Dachhaut ist eine zweischalige gedämmte Metalleindeckung mit Trapezblech als Tragschale und Aluminiumstehfalzblechen als Deckschale.

Da insbesondere bei der Haupttragkonstruktion ein Großteil der Altstahlkonstruktion wiederverwendet werden konnte, wurden nur 1.400 t Neustahl erforderlich. Im Zuge einer Nachhaltigkeitsbewertung kann der Stahlkonstruktion der Hallendächer und der gesamten Sanierungsmaßnahme eine positive Ökobilanz bescheinigt werden.

Besondere Ingenieurleistung

Grundlage für den Sanierungsentwurf des Hallendaches war eine detaillierte Nachrechnung der Bestandskonstruktion. Um diese möglichst zutreffend berechnen und ertüchtigen zu können, wurden zunächst verschiedene Voruntersuchungen durchgeführt. Dazu gehörte neben dem Materialgutachten zur Altstahlkonstruktion, der Vermessung der Hallenkonstruktion mit Aufmaß der Stützenkopfverschiebungen und dem Freilegen von Fundamenten auch eine Windkanaluntersuchung am Modell zur Ermittlung der Windlasten, da die Dachform der Halle keiner geregelten Ausführung entspricht.

Durch detaillierte Untersuchung der Schäden an der Stahlkonstruktion vor Ort mit Aufmaß der abrostungsbedingten Querschnittsverluste und die akribische Planungsarbeit im Büro unter Zuhilfenahme von sämtlichen Bestandsunterlagen konnte die erforderliche statische Nachrechnung durchgeführt werden. Diese hat für die Haupttragkonstruktion aus unterspannten Bogenbindern, Kastenstützen und Längsrahmen gezeigt, dass die alten Querschnitte auch unter Ansatz der heute gültigen Belastungen standsicher sind. Auf diese Weise konnte die stählerne Haupttragstruktur der genieteten Bogenbinder gerettet werden. Die Planung sah somit vor, das komplette Haupttragwerk im Bestand zu erhalten und mit einem neuen Korrosionsschutz zu versehen.

Erwähnenswert ist der Imperfektionsansatz, der für den Nachweis der Stützen der Bogenbinder gewählt wurde. Da beim Aufmaß der Halle nennenswerte Stützenkopfverschiebungen festgestellt wurden, rechnete man die anzusetzenden Schiefstellungen aus den Messergebnissen zurück. Die Vorverdrehung aus den Messergebnissen betrug zum Beispiel in Hallenquerrichtung als arithmetisches Mittel der 20 Messwerte in Bogenebene 1/277. Da das Verhältnis zwischen der Vorverdrehung aus geometrischer und struktureller Imperfektion nach Kommentar zur DIN 18800 1:1 beträgt, kam als Grundwert der doppelte Wert in Ansatz: 2 x 1/277 = 1/138.

Die Hauptkonstruktion wurde auch für Bauzustände nachgewiesen. Dabei ging man davon aus, dass nacheinander jeweils das gesamte Dach eines Hallenschiffes geöffnet wird. Für diese verschiedenen Zustände des Gesamtgebäudes waren im Windgutachten Winddruckbeiwerte angegeben.

Bedingung für die Durchführung der Hauptmaßnahme war es, den Eisenbahnbetrieb und den gesamten Personenverkehr innerhalb des Bahnhofes uneingeschränkt aufrecht zu erhalten. Die Arbeiten des Auftragnehmers durften also den Zugverkehr und den Bahnhofsbetrieb nicht beeinträchtigen.

Der ausgeschriebene Sanierungsentwurf sah vor, die Arbeiten am Hallendach nacheinander jeweils an einem Schiff über die gesamte Länge durchzuführen, beginnend am westlichen Schiff 5. Da der Abbruch des alten Daches, die Korrosionsschutzarbeiten an den Bogenbindern und der Aufbau der neuen Dachkonstruktion über laufendem Eisenbahnbetrieb erfolgen mussten, bot sich hier der schiffweise Einbau einer Arbeitsplattform in ausreichendem Abstand oberhalb des Fahrdrahtes der Oberleitung an.

Um die Zeit der Erstellung der Ausschreibungsunterlagen für die Hauptmaßnahme auf der Baustelle zu nutzen, sollte unter anderem die Sanierung der Stützenfüße in einer Vorabmaßnahme frühzeitig begonnen werden. Diese vorgezogene Maßnahme beinhaltete neben der Stützenfußverstärkung mit Korrosionsschutz bis zur Unterkante der Längsriegel auch die Erneuerung der Fenster- und Natursteinfassaden der äußeren Längswände in den Achsen A und F. Mit dieser baubegleitenden Planung wurde eine deutliche Verkürzung der Gesamtmaßnahme erreicht. Unter anderem dadurch und durch Beistellen einer geprüften statischen Berechnung für das Hallendach mit der Auftragsvergabe an den Auftragnehmer konnten die sanierten Bahnsteighallen ein Jahr früher als ursprünglich geplant fertiggestellt werden.

Erläuterungsbericht von Wihermüller & Vogel Ingenieure zur Einreichung beim Ulrich Finsterwalder Ingenieurbaupreis 2015

Beteiligte

Bau (1904-1906)
Architektur
Metallbau
Renovierung / Instandsetzung (2010-2013)
Bauherr
Tragwerksplanung
Materialgutachten
Windtechnologisches Gutachten
Statische Prüfung
Generalauftragnehmer
Stahlbau
Stahlverbindungen
Gerüste
Projektleitung

Relevante Webseiten

Relevante Literatur

  • Über diese
    Datenseite
  • Structure-ID
    20023195
  • Veröffentlicht am:
    01.10.2006
  • Geändert am:
    21.04.2016
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