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„BIM“ der virtuelle Baumeister

Was ist BIM? – "BIM ist die Methode mittels der digitalen Abbildung der physikalischen und funktionalen Eigenschaften eines Bauwerks von der Grundlagenermittlung bis zum Rückbau/Abriss zu arbeiten. Als solches dient sie als Methode Informationen und Daten für die Zusammenarbeit über den gesamten Lebenszyklus des Bauwerkes zur Verfügung zu stellen und zu teilen." – Anmerkung: Die Maßnahmen zu BIM müssen eingebettet werden in andere Veränderungen im Bauwesen, insbesondere der Planung. Die Planer müssen unter Nutzung moderner Technik die Kommunikation untereinander nachvollziehbarer und transparenter machen und gegebenen falls auch die ausführenden mit einbeziehen.

BIM ist eine Methode, die umfassend gelebt werden muss. Sie wird leider in Deutschland bisher nicht konsequent angewendet, obgleich die technischen Voraussetzungen vorhanden wären. BIM ist eine Fortentwicklung sehr erfolgreicher Arbeitsweisen antiker und mittelalterlicher Baumeister.

"Modeling" als Teil des Planungs- und Bauprozesses in der Antike

Jede Zeit hat ihre Methode, Dinge darzustellen und mitzuteilen. Von den Malereien bis zur technischen Zeichnung spannt sich bisher der Bogen. In einigen antiken "Malzeichnungen" steckt unter Umständen mehr "BIM" als in den späteren technischen Zeichnungen. In den antiken Plänen wurde meistens die Funktion dargestellt und nicht die exakte Geometrie.

Dem Bau der Pyramiden und anderer Großprojekte lag bereits ein definierter Prozess zugrunde. Die Planung erfolgte an Modellen. Materialbeschaffung und Versorgung tausender Arbeitskräfte wurden auf der Grundlage von Kommunikationsstrukturen über große Entfernungen organisiert. Bei den aus heutiger Sicht eingeschränkten Möglichkeiten muss man wohl davon ausgehen, dass unsere Vorfahren erst mit dem Bau begannen wenn alle Vorbereitungen abgeschlossen waren.

Das Tempo mit dem die Römer ihre Siedlungen fernab von Italien bauten, wird heute noch bestaunt. Es hatte bereits damals mit der Systematisierung von Bauteilen und Prozessen zu tun.

Die Römer folgten folgenden Grundsätzen:

  • Wasser musste oberhalb der zu bauenden Siedlung in ausreichendem Maße vorkommen, um es mit Aquädukten und natürlichem Gefälle in den Ort zu leiten
  • Die Siedlungen wurden so angelegt, dass das Abwasser natürlich abfließen konnte.
  • Die Kanäle und Straßen wurden in der Regel zuerst gebaut und danach erst die Gebäude errichtet.

Wesentliche Stütz-Elemente von repräsentativen Bauwerken wurden in den Steinbrüchen des römischen Reiches vorgefertigt und für den Bau einer Siedlung gezielt abgerufen und antransportiert. Dicke Schutzwände wurden mit gebrannten Steinen zweischalig hergestellt. Die Zwischenräume verfüllte man mit einer Art Beton. Auch für den Straßenbau in schwierigem Gelände gab es genaue Vorgaben.

Interessant dabei ist, dass die Stütz-Elemente später von den Mauren in Südspanien zum Bau von riesigen Moscheen (heute Kirchen) eingesetzt wurden. Eine antike Art des nachhaltigen Bauens.

Modeling als Teil des Planungs- und Bauprozesses im Mittelalter

Die Baumeister im Mittelalter (BiM) hatten ein genaues Bild des späteren Bauwerks mit Funktion und Gestaltung vor Augen. Sie nutzten ein "Analog-Modeling" um ihren Bauherren am Modell die Vorzüge ihrer Entwürfe vorzustellen. Die weiteren Planungen und die spätere Ausführung blieben im Kopf und in der Hand des Baumeisters. Als lebender "BIM-Daten-Speicher" mit angeschlossenem "3-D-Plotter" formte er das reale Bauwerk im Maßstab 1:1.

Bei besonders repräsentativen Bauvorhaben oder besonderen Bauweisen sicherte sich der Bauherr die Kenntnisse der Baumeister durch Beschränkung ihrer Freizügigkeit durch Ausreiseverbote. Eine besonders effektive "Firewall" gegen ungewollten Techniktransfer.

Je nach Einstellung zum Planer Beruf sehen sich die Architekten als Nachfolger der Bildhauer und Gestalter und die Ingenieure als Entwickler funktioneller Bauwerke (die früher häufig der Abgrenzung und der Verteidigung dienten). Vielleicht befinden sich die heutigen Planer doch eher in der Tradition von Baumeistern die planten und bauten. Was alle verbindet ist jedoch, dass sie letztendlich reale Bauwerke erstellten.

Mit den immer komplexer werdenden Anforderungen an die Fähigkeiten der Bauschaffenden bildeten sich nach und nach die heutigen Berufsgruppen heraus. Es gibt jedoch nur noch wenige, die über genug generalistisches Wissen verfügen, auch nur annähernd den gesamten Prozess noch zu überblicken. Die Architekten hätten dies generalistische Erbe antreten können. Wie auf der ganzen Welt, so auch in Deutschland, ist jedoch ein Rückzug der Architekten auf den Entwurf und die Gestaltung zu beobachten. Damit geben sie möglicherweise den sich aus der Berufsbezeichnung "Architekt" abzuleitenden Führungsanspruch (Architekt: der Erste, der Führer, der Tektoi der Bauleute) beim Planungsprozess auf. Die Führung wird zunehmend von Ingenieuren (Ingenium: "sinnreiche Erfindung" oder "Scharfsinn".) übernommen.

Modeling als Teil des Planungs- und Bauprozesses im EDV-Zeitalter

Ingenieure sind offensichtlich eher bereit sich neue technische Möglichkeiten nutzbar zu machen und zu systematisieren. Die 3-dimensionale Darstellung eines Bauwerksmodells auf dem Rechner ist inzwischen die einzige Möglichkeit, die enorm anwachsenden Datenmengen durch visuelle Kontrolle auf Plausibilität zu überprüfen. Dreidimensionale Informationen können auch Entscheidungsträger ohne Ingenieurausbildung (Bauherr, Politiker, Bürger) eher aufnehmen und verstehen als sie es beim Blättern in Stapeln von Berechnungen, Analysen, Gutachten und Technischen Zeichnungen in der Lage wären zu tun. Planung wird durch Modeling für alle transparenter.

Grundsätzlich gilt für BIM eine einfache Regel:

Was Sie nicht 3-dimensional in einem virtuellen Modell darstellen können, werden Sie weder richtig planen, terminieren, bepreisen, bauen, bauleiten noch betreiben können.

Trennung von Planung und Ausführung

In Deutschland wurde in den letzten Jahrzehnten die Trennung zwischen Planung und Ausführung propagiert und hatte Einfluss auf wichtige gesetzliche Regelungen. Es ist an der Zeit, dieses inzwischen eher als entwicklungshemmend empfundene System zu überdenken. Auf der Planer Seite wird die zur Deckelung von Planungskosten eingesetzte HOAI mit Ihren fachbezogenen Abgrenzungen von Leistungen und in sich abgeschlossenen Leistungsphasen als unflexibel empfunden. Die ausführenden Firmen werden oft über ein Mindestpreisverfahren ermittelt. Dem Verfahren liegen in der Regel noch nicht ganz vollständig beschriebene Bauleistungen zugrunde.

Es liegt damit auf der Hand zunächst alle Einheitspreise nach unten zu korrigieren und parallel dazu nach Nachtragsmöglichkeiten zu forschen um das wirtschaftliche Ergebnis später verbessern zu können. Dabei wird offensichtlich ein zunehmend großer Aufwand getrieben. Bei dem Wettrüsten versuchen die Auftraggeber durch feinsinnige Vertragstexte Mehrforderungen zu vermeiden und die Auftragnehmer fanden nach Lücken in den Verträgen oder Leistungsverzeichnissen. Den dadurch entstehenden Kostenaufwand zahlt jeder Bauherr indirekt mit, ohne ein besseres Bauwerk zu erhalten.

Über BIM gäbe es eine Vielzahl von Möglichkeiten, Planung und Ausführung zunächst am virtuellen Modell zusammenzubringen. Dabei könnten auch das Wissen und die Erfahrung der Bauausführenden nutzbar gemacht werden. Die Beteiligung dieser Fachleute wäre zu vergüten und eine Beteiligung an den Ausschreibungen dürfte nicht ausgeschlossen werden. Dafür gibt es in England schon erfolgreich durchgeführte Projekte, z.B. Die Olympischen Spiele von London.

Durch das Modellieren am virtuellen Bauwerk wird der Planer wieder zum Erbauer. Es sind jedoch heute sehr viel mehr an Anforderungen miteinander zu verbinden, als zu Zeiten des Baumeisters. Die unterschiedlichsten Fachleute können heute am virtuellen Bauwerk zusammen arbeiten und Ihre virtuellen Ergebnisse sehen, testen und bewerten. BIM ist eine Weiterentwicklung der Baumeisterkunst um ein Bauwerk noch vor dem realen Baubeginn im virtuellen Raum zu betreten. Die früheren Baumeister hatten erst am Schluss ihres Schaffens die Möglichkeit dazu. Es spricht sehr viel dafür, zunächst Bauwerke oder Infrastrukturmaßnahmen virtuell entstehen zu lassen. Nach ausreichenden Tests, Preisbildung, Termin-und Risikoabschätzung kann fehlerfreier mit der Umsetzung in die Realität begonnen werden.

Fazit

In jeder Phase der Entwicklung des Baugeschehens haben Ingenieure "sinnvolle Erfindungen" und "Scharfsinnigkeit" (Ingenium) genutzt, um ihre Tätigkeit zu optimieren. BIM wird sich daher durchsetzen und sich wiederum neuen Möglichkeiten anpassen. Mit dem nun anstehenden Paradigmenwechsel, nicht nur technische Dokumente zu produzieren, sondern mit virtuellen Bauwerken die spätere Realität vorwegzunehmen, wird sich mehr verändern als man auf den ersten Blick erkennt. Vornehmlich in Deutschland sind dazu passende Regelwerke nötig.

Die bisherigen Regelungen konnten nach und nach wachsen und vervollständigt werden. Wenn man Unsicherheiten durch Wildwuchs vermeiden will, ist bei der jetzigen Anpassung jedoch eine dem EDV-Entwicklungstempo angepasste Geschwindigkeit notwendig. Hier ist eine konzertierte Aktion von BuildingSMART e.V. und dem BVBS sowie den wichtigsten Verbänden (VBI, VDI, BDA, AHO, HDB usw.)und der öffentlichen Hand nötig, eine professionelle Organisation zu schaffen um die notwendigen Leitfäden, Richtlinien, ISO und DIN-Vorschriften zu entwickeln bzw. anzupassen. Anders als in Ländern mit überwiegend großen Planungsfirmen sind hier die Interessen der KMU`s (Klein- und Mittelstandsunternehmen) besonders zu berücksichtigen. Gerade diese Unternehmen sind das Rückgrat unserer Wirtschaft. Sie benötigen jedoch einen geregeltes Auftragsumfeld und sicher eine Reihe von Hilfsmaßnahmen bei der Umstellung auf BIM.

Erste Gespräche zwischen BuildingSMART und Verbänden haben im Herbst 2013 begonnen und sollen in Kürze zur Gründung einer "Nationalen BIM-Initiative" führen. – Eine einmalige Chance den Rückstand aufzuholen. Bleibt zu hoffen, dass sich dann sowohl die Bundes-und Landesregierungen sowie die Kommunen daran beteiligen.

Zeichnen Sie noch oder modellieren Sie schon?

Prof. Dipl.-Ing. Hans-Georg Oltmanns

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  • Veröffentlicht am:
    09.12.2013
  • Geändert am:
    03.09.2014