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Neues in-situ-Messgerät zur Messung des Wasseraufnahmekoeffizienten von Fassaden

Bei Sanierungen von Gebäuden mit historischen Fassaden wurden in den vergangenen Jahren immer häufiger Innendämmungen eingesetzt. Gegenüber einer außenseitigen Wärmedämmung hat die Innendämmung den großen Vorteil, dass die ursprüngliche Fassadenansicht erhalten bleibt. Die Nachteile einer Innendämmung sind weitgehend bauphysikalischer Natur. Neben Wärmebrücken und Tauwasserproblematik stellt sich häufig die Frage nach dem tatsächlich vorhandenen Schlagregenschutz.

Historische Sichtmauerwerkfassaden stellen für den Schlagregenschutz bei einer Innendämmung aufgrund von Steil- Fugenproblematik sowie Flankenabrissen einen besonders kritischen Fall darstellen. Der hygrothermische Nachweis von innen gedämmten Außenwänden kann über das vereinfachte Verfahren nach WTA-Merkblatt 6-4 "Innendämmung nach WTA I – Planungsleitfaden" oder durch eine hygrothermische Simulationsberechnung nach DIN EN 15026 geführt werden. In beiden Fällen ist ein ausreichender konstruktiver Schlagregenschutz eine wichtige Voraussetzung. Der Wasseraufnahmekoeffizient (Ww-Wert) gilt dabei als ein entscheidendes Kriterium für dessen Beschreibung.

Schlagregenschutz bei Innendämmung

Die ausreichend genaue Bestimmung des Wasseraufnahmekoeffizienten von Bestandsfassaden ist derzeit nur mit einer zerstörenden Entnahme von Material und einer anschließenden Untersuchung im Labor möglich. Diese Vorgehensweise ist besonders für die Untersuchung von historischen Fassaden nur unbefriedigend. Bisherige in-situ-Messgeräte wie das Prüfröhrchen nach Karsten oder die Prüfplatte nach Franke bieten für eine Bestimmung des Wasseraufnahmekoeffizienten leider nicht die erforderliche Genauigkeit.

Neues Messgerät

Vor dem Hintergrund eines zerstörenden und aufwendigen Normversuches sowie einer eher qualitativen Einschätzung durch die bereits vorhandenen in-situ-Messgeräte wurde an der Hochschule für Technik, Wirtschaft und Kultur Leipzig (HTWK) Leipzig ein neues Messgerät entwickelt. Als erstes in-situ-Messgerät ermöglicht das Wasseraufnahmemessgerät (WAM) die zerstörungsfreie Messung des Wasseraufnahmekoeffizienten von Fassaden. Für eine Untersuchung wird das Gerät mit einer speziellen Dichtungsmasse direkt an der Fassade fixiert. Es schließt so einen Fassadenbereich von 40 cm bis 51 cm wasserdicht ein. Dieser Fassadenbereich wird nun mit einer Pumpe kontinuierlich beregnet. So bildet sich ein geschlossener Wasserfilm auf der eingeschlossenen Fassadenoberfläche. Je nach Qualität der Fassade wird ein Teil des Wassers aufgesaugt. Der Rest fließt über eine Öffnung zurück in den Wasserbehälter. Es besteht ein Kreislauf, den das Wasser nur über die Fassadenoberfläche infolge kapillaren Saugens verlassen kann. Das Gewicht des Wasserbehälters wird mithilfe einer Waage aufgezeichnet. Der Masseverlust des Wasserbehälters entspricht der aufgenommenen Wassermenge.

Das gravimetrische Messprinzip erreicht eine reproduzierbare Genauigkeit von ± 0,05 kg/(m²√h). Mit dem neuartigen Verfahren wird eine repräsentative Fläche von 40 cm bis 51 cm erfasst. Speziell für Sichtmauerwerkfassaden ergibt sich damit die Möglichkeit einer integralen Messung des Wasseraufnahmekoeffizienten über mehrere Stein- und Fugenschichten hinweg. Die Versuchsdauer beträgt üblicherweise 60 Minuten, ist jedoch nicht von dem Messverfahren abhängig. Bei stark saugenden Untergründen können auch 20-minütige Messungen zu aussagekräftigen Ergebnissen führen. Nach Ende einer Messung lässt sich das WAM wieder rückstandslos von der Fassade entfernen.

Untersuchungen

Für den Nachweis der Funktionsweise des WAM wurden zunächst mit einem ersten Prototypen Versuche im Labor durchgeführt. Dafür wurde klassisch der Wasseraufnahmekoeffizient einer großformatigen Betonplatte durch Eintauchen in Wasser und kontinuierliches Wiegen der Probekörpermasse bestimmt. Die Messwertaufnahme erfolgte manuell in einem Zeitabstand von 5 Minuten. Nach Trocknung wurde die kapillare Wasseraufnahme an derselben Betonplatte mithilfe des Wasseraufnahmemessgerät-Prototypen gemessen. Die gute Übereinstimmung der beiden Versuche ist in Bild 4 dargestellt. Die Messwerterfassung erfolgte mithilfe einer Laborwaage mit Datenanschluss. Die Daten wurden in einem Zeitraster von 1 Sekunde abgefragt, was den graphisch kontinuierlichen Verlauf erklärt.

Bei der Entwicklung des WAM war stets die Praxistauglichkeit des Versuchsaufbaus von großer Wichtigkeit. Deshalb wurden während der Entwicklung zahlreiche Feldversuche an unterschiedlichen Fassaden durchgeführt.

Bei dem nachfolgend beschriebenen Objekt handelt es sich um eine in der Nachkriegszeit entstandene Wohnanlage mit Sichtmauerwerk. Die Messungen wurden an unterschiedlichen Stellen des Gebäudes durchgeführt. Die Fassade macht optisch einen altersentsprechenden Eindruck. Die Messungen selbst haben gut funktioniert, was auch durch den homogenen Verlauf der in Bild 6 dargestellten Wasseraufnahme, aufgetragen über die Wurzel der Zeit, deutlich wird. Die Messwerterfassung erfolgte hier durch Ablesen der Gewichtsänderungen im 30-Sekunden- Takt. Aufgrund der sehr hohen Wasseraufnahme konnten die Versuche bereits nach 20 Minuten beendet werden. Hervorzuheben ist die Auswertung der Messungen mit einer großen Streubreite mit Ww-Werten von 5 bis 12 kg/ (m²√h). Zwischen der optischen Beurteilung und dem messtechnischen Ergebnis ist nicht immer ein Zusammenhang zu finden.

Zusammenfassung

Das entwickelte WAM ermöglicht eine genaue und zerstörungsfreie Messung des Wasseraufnahmekoeffizienten direkt am Bauwerk. Das Gerät benetzt eine Fassadenoberfläche von 40 cm bis 51 cm. Speziell bei Sichtmauerwerkfassaden ist eine integrale Messung des Wasseraufnahmekoeffizienten über mehrere Stein- und Fugenschichten hinweg möglich. In Laborversuchen konnte die Funktionstüchtigkeit des Prototypen belegt werden. In anschließenden Feldversuchen wurde ein Gebäude mit Sichtmauerwerkfassade erfolgreich untersucht. Die ersten Ergebnisse zeigen deutlich die qualitativen Unterschiede bei historischen Fassaden. Mithilfe des entwickelten WAM wird es zukünftig möglich sein, den konstruktiven Schlagregenschutz von Fassaden quantitativ in einem zerstörungsfreien Messverfahren bewerten zu können. In Kooperation mit der hf sensor GmbH wird aktuell an einem serienfähigen Modell des WAM gearbeitet.

Literatur

  1. WTA Merkblatt 6-4, 2009: Innendämmungen nach WTA I – Planungsleitfaden.
  2. DIN EN 15026, Juli 2007. Wärme- und feuchtetechnisches Verhalten von Bauteilen und Bauelementen – Bewertung der Feuchteübertragung durch numerische Simulation.
  3. Möller, U.; Stelzmann, M.: In-Situ-Messgerät für die zerstörungsfreie Messung der Wasseraufnahme. In: 2. Internationaler Innendämmkongress vom 12. bis 13. April 2013 in Dresden, Tagungsunterlagen; Grunewald, J.; Plagge, R. (Hrsg.). Dresden: TU-Dresden, Institut für Bauklimatik 2013, S. 188–197.
  4. Stelzmann, M.: In-situ-Messgerät für die zerstörungsfreie Messung der kapillaren Wasseraufnahme von Fassaden. In: Messen, Planen, Ausführen – 24. Hanseatische Sanierungstage vom 7. bis 9. November 2013 im Ostseebad Heringsdorf Usedom. BuFAS e.V. (Hrsg.). Stuttgart, Berlin, Wien, Zürich 2013, S. 175–184.
  5. Stelzmann, M.; Möller, U.; Plagge, R.: Messverfahren zur zerstörungsfreien Bewertung der kapillaren Wasseraufnahme von Fassaden. In: Bauphysiktage Kaiserslautern vom 27. bis 28. November 2013 in Kaiserslautern, Tagungsunterlagen. Kornadt, O.: Lorenz, D., et. al. (Hrsg.). Kaiserslautern 2013. S. 89–91.

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    7075
  • Veröffentlicht am:
    04.03.2014
  • Geändert am:
    06.12.2019