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Bewegliche Hallenkonstruktion aus Stahl

Bis zu 4000 t gelagerter Schrott mit Ölanhaftungen, die der Regen auswaschen könnte, dazu der Lärm beim Ein- und Ausladen von ca. 10000 t Metallschrott im Monat – um Anwohner und Umwelt davor zu schützen, machte die genehmigende Behörde dem Metallrecycler RuP – Rohstoffhandelsgesellschaft mbH beim Bezug seines neuen Geländes im Düsseldorfer Hafen hohe Auflagen und verlangte eine Halle um einen Teil des Schrottplatzes. Diese allerdings hätte ein Verladen mittels Hafenkran unmöglich gemacht. In Zusammenarbeit mit dem Stahlbauunternehmen IBB Bönnigheim wurden verfahrbare überdachungen entwickelt, die sich zur Nutzung des Hafenkrans öffnen lassen. Zwei Hallen, 70 m und 50 m lang, wurden auf ein eigens konstruiertes Schienensystem gesetzt. Die Recyclinganlage ist damit überdacht und schallgekapselt – und dennoch flexibel zugänglich.

Bei der RuP – Rohstoffhandelsgesellschaft, einer Tochter von Interseroh, werden Schrotte und Altmetalle aller Art umgesetzt, von Kupfer und Messing bis zu Eisen und Stahl. Die Materialien werden auf dem 16000 m² großen Gelände getrennt, anschließend zerkleinert und so für die Wiederverwertung aufbereitet. 4500 bis 6000 t Altmetall werden bei RuP monatlich angeliefert, etwa dieselbe Menge verlässt das Lager wieder zur Weiterverarbeitung.

Hohe Auflagen an Umwelt- und Lärmschutz

Angeliefert wird per LKW. Die ausgehenden Frachten verteilen sich je nach Ziel auf Bahn oder Schiff, LKW-Transporte machen hier nur noch 5–10 % aus. Die Lage im Düsseldorfer Hafen, am Hafenbecken Lausward I, ist dafür ideal: An diesem Hafenbecken liegt ein Anschlussgleis der Neuss-Düsseldorfer-Eisenbahn, das direkt am Schrottplatz vorbei führt und nur 15 m trennen den Schrottplatz vom Kai. Mit dem vorhandenen Hafenkran wäre die Beladung von Schiffen kein Problem, allerdings verlangte die genehmigende Behörde aus Immissionsschutzgründen eine Halle zwischen Ware und Kran. Verschiedene Schrottarten sind mit Öl-Emulsionen, Schmierstoffen oder Ölen behaftet. Liegt dieser Schrott im Freien, kann Regen die Anhaftungen abwaschen, und das so verunreinigte Regenwasser müsste aufwendig und mit hohem Energieeinsatz aufbereitet werden. Schrottplätze für den Umschlag emulsionsbehafteter Produkte werden deshalb inzwischen nur noch überdacht genehmigt. Ein weiterer schwieriger Faktor im Genehmigungsverfahren war die Lage des Geländes: Auf der gegenüberliegenden Rheinseite steht ein Krankenhaus. Jeglichen Lärm, wie er bei der Bewegung von großen Metallschrottmengen nicht zu vermeiden ist, galt es zu minimieren. Einzige Lösung war ein Hallenbau über dem gesamten Arbeitsbereich des Schrottverwerters, um den Schall einzuschließen und Regeneintrag abzuhalten.

Flexibler Verladezugang durch Schienenkonstruktion für Hallen

Für den baden-württembergischen Stahlbaubetrieb IBB Bönnigheim sind derartige Industriehallen Tagesgeschäft. Um allerdings auch die Verladung per Hafenkran zu ermöglichen, mussten die Konstrukteure einen Prototypen entwickeln: eine dreiteilige Hallenkombination mit einer feststehenden und zwei beweglichen Segmenten. Der stationäre Kopfbau ist 30 m lang, daran schließen sich eine 50 m und eine 70 m lange fahrbare Halle sowie eine 112 m lange Rangierfläche zum Verfahren der Hallenteile in verschiedene Abschnitte an. Die mobilen Bereiche fahren auf Stahlschienen, die auf der einen Längsseite auf einer durchlaufenden, 15 m hohen Betonmauer und auf der anderen Seite ebenerdig etwa auf Höhe des Kais liegen. Alle drei Teile sind ca. 33 m breit und 21 m hoch – insgesamt 480 t verzinkter Stahl und Stahlblech. Trotz dieses Gewichts war vor allem der Wind ein entscheidendes Thema bei der Planung des Baus. Zuerst musste geklärt werden, bis zu welcher Windgeschwindigkeit die Halle verfahrbar bleiben sollte. Die Planer orientierten sich an den Hafenkränen und legten die Konstruktion für bis zu 61 km/h ausgelegt, was Windstärke 7 entspricht. Problematisch dabei waren die abhebenden Lasten – die Hallen mussten schwer genug sein, um trotz starken Winds auf den Schienen zu bleiben. Dazu wurde ein elektrisch synchron-motorisiertes Rollenfahrwerk mit einem speziellen Antriebssystem ausgerüstet, das statt auf Zahnstangen auf Reibschluss basiert. Zusätzlich wurden die Antriebseinheiten ausbetoniert, um die Entlastung durch den Wind zu kompensieren.

Komplexe Absicherung gegen Windlast und Unfälle

Im Hinblick auf die Toleranzen des gesamten Systems war bei Planung und Bau ständig eine enge Abstimmung zwischen Stahlkonstruktion und Laufwerk nötig. Auch die Schienen samt Verankerungssystem mussten an die abhebenden Kräfte unter voller Windlast besonders im Parkzustand angepasst werden. Um hier die Windsicherung zu gewährleisten, wurden elektrohydraulische Schienenzangen entwickelt, welche die Gebäudeteile noch bei Windgeschwindigkeiten von ca. 130 km/h fixieren können. Bei solch starken Sturmböen in Schienenlängsrichtung sollen die Zangen das Gleiten der Räder auf den Schienen verhindern. Zur Absicherung von Personen und Material zwischen den fahrenden Gebäudeabschnitten entwarf IBB in Zusammenarbeit mit den zuständigen Behörden ein eigenes Konzept zur Unfallverhütung. Bei Anlauf und Fahrt der Hallen wird der aktuelle Status optisch und akustisch angezeigt. Vor allem aber überwachen Sensoren die drei bis zu 15 m breiten LKW-Zufahrten in den fahrbaren Segmenten. Da sich die Hallenteile mit maximal 2 m pro Minute bewegen, gewährt dieses Überwachungssystem LKW auch bei fahrender Halle Einlass, solange sich der Wagen mindestens 2 m von der Öffnungskante des Einfahrtbereiches entfernt befindet.

Stationäres Gerüst an fahrender Baustelle

Da der Bau der Halle bei laufendem Hafenbetrieb erfolgte, hatten die Konstrukteure mit engen Platzverhältnissen zu kämpfen. Letztlich wurden für die Fassadeninstallation nur in einem Teilbereich von 25 m Länge Gerüste aufgestellt. Während der Montage wurden die Hallen dann Stück für Stück daran vorbeigezogen. Die ungewöhnliche Gebäudekonstruktion hat sich inzwischen in der Praxis bewährt, Beanstandungen oder Störungen des Prototyps gab es nicht. Dank der verfahrbaren Segmente kann das Recycling-Metall bequem mit dem Hafenkran auf Schiffe verladen werden, während LKW direkt in und Güterwaggons vor der Halle durch eigene Baggersysteme beladen werden. Ein Maximalabstand von 30 m zwischen Hallenöffnung und Lärmquelle sorgt mit der hohen Schallabrisskante des Baus dafür, dass der Lärm im Inneren gekapselt bleibt. Damit hält das Rohstoffhandelsunternehmen die Bauauflagen ein. Technisch gesehen hätte sich der Bau auch konventioneller realisieren lassen, allerdings mit deutlich mehr Aufwand für den Betrieb. Allein von der hinteren Hallenseite bis zum Hafenbecken sind es 45 m – zu weit für einen herkömmlichen Verladebagger. Wichtig ist jedoch vor allem der Umweltschutz, denn im Jahresmittel fallen hier auf 1 m² knapp 770 l Regen, das sind, umgerechnet auf die Gesamtfläche der drei Hallen, über 3,8 Millionen l Wasser, die durch die Überdachung sauber und ohne Ölverschmutzung in die Kanalisation geleitet werden können.

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    3622
  • Veröffentlicht am:
    30.04.2012
  • Geändert am:
    03.03.2020