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Das neue Albertinum: eine "Arche" für die Kunst

Das Dresdner Albertinum wurde im 16. Jahrhundert als kurfürstliches Zeughaus errichtet und zählte zu den berühmtesten Renaissancebauwerken in Dresden. Es wurde Ende des 19. Jahrhunderts in Teilen als Museum und Staatsarchiv umgebaut und erhielt seinen heutigen Namen. Auf die partielle Zerstörung im Zweiten Weltkrieg folgte ein rascher Wiederaufbau. Diese vielfältigen und vielschichtigen Veränderungen und Transformationen des historischen Bestandes sind auch heute noch in vielen Bereichen des Hauses ablesbar und stellen eine reizvolle, auch räumlich erfahrbare Qualität dieses denkmalgeschützten Gebäudes dar.

Als das Büro Staab Architekten mit der Bearbeitung seines Wettbewerbsbeitrags für die Planung des Depot- und Werkstattgebäudes im Innenhof des Albertinums begann, zeigte sich, dass auch die komplette äußere und innere Erschließung des Albertinums einer grundlegenden Überarbeitung bedurfte. Die einzelnen Ausstellungsbereiche konnten nur über komplizierte Wegeführungen erreicht werden. Dem Haus fehlte ein erlebbares Zentrum, und der weiträumige zentrale Innenhof der Vierflügelanlage war zu einem Abstellraum und Parkplatz verkommen. Diesen Raum aber nun mit einem großen Bauvolumen für das neue Depot- und Werkstattgebäude zu füllen und damit sein Potenzial für immer zu verlieren, schien dem Büro daher nicht die richtige Lösung.

Nicht in – über den Hof

So war die Idee geboren, den Neubau nicht in, sondern über den Hof zu bauen. Sie löste auf verblüffend einfache Weise eine Großzahl der vorhandenen Probleme. Über einen neuen Eingang zusätzlich zu dem Zugang an der Brühlschen Terrasse ist das Haus besser in die Bewegungsströme der Stadt eingebunden. Beide Eingänge führen direkt in den nun überdachten Innenhof, der heute das eindeutige räumliche Zentrum des Hauses darstellt. Beinah unsichtbar Nicht der Neubau des schwebenden Depots, sondern dieser für das Museum gerade in seiner Ausrichtung auf die Kunst der jüngeren Zeit so wichtige neue Raum sollte im Zentrum der Aufmerksamkeit der Besucher stehen. Dies hatte folgerichtig zur Konsequenz, den Neubau als ein beinahe unsichtbares Gebäude über den Hof zu legen. Um der zweigeschossigen Konstruktion etwas von ihrer Schwere zu nehmen, aber auch um dem neuen Innenhof sein selbstverständliches Licht zu geben, entschied man sich, den Neubau über die Längsseite vom Altbau abzulösen und so seitlich einfallendes Tageslicht zu ermöglichen. Die Untersicht des Baukörpers wurde mit einer akustisch wirksamen, transluzenten Folie bespannt, die von unten angestrahlt wird. Über die Rückreflektion der dahinter geschlossenen, aber hell gestalteten Deckenfläche wird der Anschein einer Lichtdecke erzeugt. Doch ist der Neubau nicht nur von innen kaum zu erahnen, er tritt auch in der Stadtsilhouette nicht in Erscheinung, da sich das Volumen genau zwischen First und Traufe des Altbaus befindet und damit die historische Firstlinie nicht überragt.

Versteckt abgetragene Lasten

Die Entscheidung, die gesamte Brückenkonstruktion über die Längsachse des Hofes zu spannen, ergab sich sowohl aus der Vorgabe, möglichst wenige Eingriffe in die historische Substanz vorzunehmen, als auch aus der konstruktiven Tatsache, dass die statische Höhe der zweigeschossigen Konstruktion diese Spannweite problemlos überbrücken konnte. Die Lasten dieses Neubaus werden versteckt über den neuen, alle Ebenen des Neu- und des Altbaus miteinander verbindenden Lastenaufzug an der Ostseite des Hofes, sowie zwei etwa 1 m² große, hinter der historischen Fassade verborgene Stützenkonstruktionen abgetragen. Konstruktion Das Tragwerk der Depot- und Werkstattgeschosse im Neubau über dem Hof wurde als stählerne Fachwerkbrücke in Längsrichtung des Hofs mit einer Spannweite von ca. 72,0 m geplant. Die Lastabtragung erfolgt auf den Schmalseiten des Innenhofs in Form von hinter der Hoffassade angeordneten Stützen sowie eines in den Altbau eingefügten, neuen Stahlbetonkerns. Der zentrale Raum bleibt von der Tragkonstrution unberührt. Die Konstruktion der "Brücke" ist ein räumliches Stabwerk, dessen Haupttragglieder durch vier Fachwerkverbände aus Stahl mit einer maximalen Spannweite von rund 72,0 m gebildet werden. Durch die Fachwerkträger, welche sich über beide Depotgeschosse erstrecken und dadurch etwa 9,00 m statische Höhe erreichen, entsteht ein optimales Verhältnis von Höhe zu Spannweite (1:8) und dadurch ein möglichst geringes Eigengewicht der Konstruktion.

Nachhaltigkeit

Im Rahmen der Sanierung des Bestandes und dem Neubau der Depot- und Werkstattflächen wurde großen Wert auf die technische Erneuerung und klimatische Optimierung des Gebäudes gelegt. Allein durch den Einbau der Arche über dem Innenhof entsteht ein klimatischer Pufferraum, wodurch die thermische Stabilität des Gebäudes wesentlich erhöht wird. Die für die musealen Bereiche und die Depotbereiche vorgegebenen Klimaparameter werden durch eine sinnvolle Gebäudeorganisation und durch nachhaltige technische Lösungen erreicht. So werden die sensiblen Depotbereiche im unteren Geschoss der Arche untergebracht, wodurch das Klima ohne äußere Einflussfaktoren leicht stabil gehalten werden kann. Über die Nutzung des Grundwassers wird ein Großteil der nötigen Kühllast zur Verfügung gestellt. Dies ist nicht nur eine wirtschaftliche und ökologisch sinnvolle Technik, sondern ermöglicht auch im Sinne des Denkmalschutzes auf konventionelle Rückkühltechnik auf dem Dach des Albertinums zu verzichten.

Auszeichnungen:

Wettbewerb 1. Preis 2004
Deutscher Architekturpreis 2011

Bautafel:

Architekten: Staab ARCHITEKTEN
Ingenieure: EiSat GmbH Eisenlöffel, Sattler & Partner, Berlin ARGE Erfurth u. Partner Beratende Ingenieure
Stahlbau: Müller Offenburg GmbH & Co. KG, Offenburg
Bauherr: Freistaat Sachsen, Sächsisches Staatsministreium der Finanzen

Referenzen

Dresden, Sachsen, Deutschland (1563)

Bauwerkskategorien

  • Über diese
    Datenseite
  • Product-ID
    5986
  • Veröffentlicht am:
    08.08.2012
  • Geändert am:
    12.01.2015