0
  • DE
  • EN
  • FR
  • Internationale Datenbank und Galerie für Ingenieurbauwerke

Anzeige

Erdwärme für das Servicezentrum der RWTH in Aachen

Das SuperC, das neue Servicezentrum der Rheinisch-Westfälischen Technischen Hochschule (RWTH) Aachen, bietet Studierenden eine zentrale Anlaufstelle. Beheizt wird das Studiengebäude mit Geothermie, die unmittelbar unter der ambitionierten Architektur gewonnen wird.

Das SuperC bietet an zentraler Stelle alles, was neben dem inhaltlichen Studium an Verwaltung und Serviceeinrichtungen für die Studierenden nötig ist: Sekretariat, International Office, Prüfungsamt und Career Center. Seit seiner Eröffnung gilt der moderne Stahlbetonskelettbau in der Altstadt als städtebauliches Highlight in unmittelbarer Nachbarschaft zu den ehrwürdigen Universitätsbauten und dem Aachener Dom. Größtmögliche Transparenz war das Anliegen der Architektinnen Susi Fritzer und Eva-Maria Pape, die als wissenschaftliche Lehrkräfte aus der eigenen Architekturfakultät heraus in einem internen Wettbewerb ein Gebäude mit 4600 m² Nutzfläche und multifunktionaler Halle im Untergrund konzipierten. Der Bau erfüllt das Raumprogramm und bildet den innovativen Anspruch der Hochschule auch architektonisch adäquat nach außen hin ab. Im markanten Dachgeschoss, das sich wie ein schützender Schirm über den großen Vorplatz ausbreitet und damit Freiraum für öffentliche Aktivitäten bietet, sind Konferenzräume angeordnet. Die tragende Konstruktion dieses auskragenden Kopftragwerks besteht aus vier geschweißten Fachwerkträgern mit einer Gesamtlänge von ca. 31 m und einer maximalen Bauhöhe von 7 m. Die Kraftübertragung erfolgt durch Stahlbetonverbundstützen.

Innovatives Energiekonzept

An einem frostigen Wintertag ist das kaum vorstellbar: In ca. 2500 m Tiefe beträgt die Erdtemperatur ca. 70 °C. Dies macht sich die RWTH zunutze: Unter dem dominanten Dach des neuen Servicezentrums stößt eine Sonde in die Tiefe und liefert Wärme für die Energieversorgung. Warme Quellen aus dem Erdinnern sind in Aachen schon seit der Römerzeit bekannt. Nun profitieren auch die Studierenden in dem Neubau der Hochschule von dieser Energiequelle. Deren Wärme kann, einmal angezapft, nahezu unbegrenzt genutzt werden. Dank der tiefen Geothermie wird mit der von einem Wärmeträgermedium aufgenommenen Energie das Bauwerk sogar direkt, ohne Wärmepumpe, beheizt. Was so einfach klingt, ist ein komplexes Unterfangen, dessen technische Ausführungsplanung ebenso wie die begleitenden wissenschaftlichen Untersuchungen von einem interdisziplinären Forschungsteam unter Federführung des Instituts für Markscheidewesen der RWTH Aachen durchgeführt wurden. Von Anfang an hat HeidelbergCement Baustoffe für Geotechnik (HC Geotechnik) für das Bauvorhaben die Entwicklung eines hochwärmeleitfähigen Verfüllbaustoffs für tiefe Erdwärmesonden forciert, der die Sonde im kilometertiefen Bohrloch fehlstellenfrei umfließt und gleichzeitig durch optimale thermische Eigenschaften zur Steigerung der Systemeffizienz beiträgt.

Innovatives EU-Demonstrationsprojekt

Die Entwicklung innovativer Produkte zur effizienten Nutzung erneuerbarer Energien ist eine Seite der Medaille – das Vertrauen in die Umsetzung zukunftsweisender Projekte eine andere. Anfangs gab es in der Stadt Bedenken, dass die Aachener Quellen von der Bohrung beeinträchtigt würden. Deshalb wurden fachliche Gutachten in Auftrag gegeben, die letztendlich den Einfluss der Bohrung auf die heißen Quellen als unbedenklich einstuften. Das Energiekonzept des Neubaus ist anspruchsvoll, denn erstmals wurde hier Erdwärme via Tiefensonde innerstädtisch für ein Großprojekt genutzt. Das Universitätsgebäude deckt mit der erneuerbaren Energie seinen kompletten Heizbedarf und dokumentiert als innovatives EU-Demonstrationsprojekt über die Hochschule hinaus die Chancen, die Geothermie für die Energieversorgung moderner Bauwerke bietet.

ThermoCem TC02 – hochwärmeleitfähiger Verfüllbaustoff

Mit der von der HC Geotechnik entwickelten Produktgruppe ThermoCem, die durch den Einsatz eines hochwärmeleitfähigen Additivs bereits bei einer geringen Suspensionsdichte – und somit sehr guten Fließeigenschaften – eine hohe Wärmeleitfähigkeit erreicht, ist HeidelbergCement Marktführer im Bereich der oberflächennahen Geothermie. Mit einer Wärmeleitfähigkeit von ca. 2 W/(m.K) ist beim Verfüllbaustoff ThermoCem PLUS die Wärmeleitfähigkeit mehr als doppelt so hoch wie die eines Standardprodukts. Aufgrund der unterschiedlichen Bedingungen, die in großer Tiefe herrschen, musste das vorhandene Produkt für den Einsatz bei tiefen Geothermieprojekten modifiziert werden.

Für den Bau des Servicezentrums in Aachen wurde daher als Fortsetzung des ThermoCem-Konzepts der hochwärmeleitfähige Verfüllbaustoff ThermoCem TC02 entwickelt, der sich speziell für tiefe Erdwärmesonden eignet und inzwischen bei einem weiteren Projekt (Freizeitbad NASS, Arnsberg) eingesetzt wurde. Im Rahmen des Projekts SuperC schloss die RWTH Aachen als Projektkoordinator mit der HC Geotechnik (Entwicklung Baustoffrezeptur) und der TU Clausthal (Institut für Erdöl- und Erdgastechnik) einen Kooperationsvertrag – mit dem Ziel der Untersuchung der baustofftechnischen Eigenschaften der von der HC Geotechnik entwickelten Rezeptur vor ihrem Einsatz beim SuperC unter den in situ (also im Bohrloch) herrschenden Druck- und Temperaturbedingungen. Bei tiefen Geothermieprojekten werden in den unteren Bereichen der abgeteuften Bohrungen Temperaturen von bis zu 150°C und Drücke von bis zu 50 MPa erreicht. Am Institut für Erdöl- und Erdgastechnik (TU Clausthal) können diese extremen Bedingungen mit speziellen Messapparaturen aus der Erdölforschung nachgestellt werden. Im Rahmen der an der TU Clausthal durchgeführten Versuchsserien wurde beispielsweise die Konsistenzentwicklung von ThermoCem TC02 unter hohen Drücken und Temperaturen untersucht und für geeignet befunden.

Bautafel SuperC – das Studierenden-Servicezentrum, Aachen

Bauherr und Projektleitung: Bau- und Liegenschaftsbetrieb (BLB) NRW, Aachen
Entwurf: ARGE Fritzer + Pape, Aachen
Planung: Pape Architekturbüro, Köln/Aachen
Generalunternehmer: HOCHTIEF Construction AG, Aachen
Tragwerk: Schlaich, Bergermann & Partner, Stuttgart
Haustechnik/Fassade: ARUP Deutschland, Berlin
Geothermie: Institut für Markscheidewesen, Bergschadenkunde und Geophysik, RWTH Aachen
Produkt: ThermoCem® TC02
Tiefenbohrung: H. Anger‘s Söhne Bohr- und Brunnenbaugesellschaft mbH, Hessisch Lichtenau
Verfüllarbeiten: Schlumberger GmbH, Vechta

Referenzen

Aachen, Städteregion Aachen, Nordrhein-Westfalen, Deutschland (2008)

Bauwerkskategorien

  • Über diese
    Datenseite
  • Product-ID
    3303
  • Veröffentlicht am:
    30.04.2012
  • Geändert am:
    18.01.2017