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Fünf Rollbahnbrücken als Weltneuheit im Infrastrukturbau

Mit der Entwurfs- und Ausführungsplanung für die fünf Rollbahnbrücken auf dem Gelände des Frankfurter Flughafens nahmen sich die Ingenieure des Büros Dr. Binnewies aus Hamburg einer Pionieraufgabe an. Die hoch komplexen, integralen Brückenbauwerke über Schiene und Autobahn sind eine Weltneuheit im Infrastrukturbau. Zum Zeitpunkt des Planungsbeginns wurde eine vollkommen neue Softwareversion von PONTIbetonverbund aus dem Hause RIB eingesetzt. Sie wurde mit dieser innovativen Baumaßnahme gleich vor die höchste praktische Herausforderung gestellt. Im Rückblick betrachtet, eine zweifache Premiere im konstruktiven Ingenieurbau, welche mit Bravour gemeistert wurde.

Im Zuge des Neubaus der Landebahn Nordwest am Frankfurter Flughafen beauftragte die Betreibergesellschaft Fraport AG den Bau zweier Verbindungsrollbahnen einschließlich fünf einzelner Brückenbauwerke. Auf der neuen Piste landende Maschinen gelangen so über Autobahn und Schiene, die unmittelbar an den internationalen Flughafen angrenzen, vom Rollfeld zu den beiden Terminals. Durch diese Baumaßnahme sind jetzt parallele Flugbewegungen möglich, die der kontinuierlich steigenden Nachfrage von Fluggesellschaften und Passagieren wesentlich besser gerecht werden als bisher.

Anfang September 2009 begann die Ausführung der Brückenbauwerke für die Verbindungsrollbahnen, mit der drei der größten Bauunternehmungen Deutschlands beauftragt wurden: Die Firmengruppe Max Bögl, Niederlassung Sengenthal, die STRABAG-Tochter Ed. Züblin AG, Standort Frankfurt/M. sowie die Leonhardt Weiss GmbH & Co. KG, Satteldorf.

Das Zeitfenster war mehr als eng: Im April 2008 starteten die Planungen für insgesamt fünf hoch anspruchsvolle Brückenanlagen mit einer Gesamtbrückenfläche von 40.000 m² auf dem Frankfurter Flughafen. Das mit dieser Aufgabe betraute Ingenieurbüro Dr. Binnewies aus Hamburg wurde vor die Herausforderung gestellt, in knapp 16 Monaten rund 600 Schalpläne und ca. 800 Bewehrungspläne zu zeichnen und rechtzeitig auf die Baustelle zu liefern. Doch entscheidend war zunächst die Entwurfsplanung.

Neues Entwurfskonzept: Integrale Brückenbauwerke

Die beiden Verbindungsrollbahnen ebnen nun den Weg für die Flugzeuge von der neuen Landebahn nördlich der BAB A3 und der ICE-Strecke Frankfurt-Köln zum südlich davon befindlichen Flugbetriebsgelände. Für die östliche Rollbahn konzipierten die Ingenieure drei Rollbahnbrücken, für die Rollbahn im Westen zwei weitere. Die Kreuzungswinkel etwa sind mit bis zu 30 Gon enorm spitz, die Brücken mit mehr als 200 m sehr breit und die Bemessungslast für die Flugzeuge beträgt beachtliche 750 t. Dazu kommen begrenzte Bauhöhen von circa 200 cm und die Bauarbeiten mussten über fließendem Verkehr erfolgen. Nicht zu vergessen, die Komplexität der Bauwerksgeometrie, denn alle fünf Ingenieurbauwerke sind unterschiedlich. Und das sind nur die unmittelbar größten Herausforderungen, denen sich das Hamburger Ingenieurbüro stellen musste …

Bei näherer Betrachtung des Entwurfsprinzips der Rollbahnbrücke OST 1, das außerdem auf die Brückenbauwerke WEST 1 und OST 2 übertragen wurde, soll die Schwierigkeit der Aufgabe dargestellt werden. Hier war das Büro Binnewies gefordert, ein neues Entwurfskonzept zu entwickeln. Die neue Idee der Experten aus Hamburg, die später auf dem Flughafengelände realisiert wurde: ein vorgespanntes integrales Spannbeton-Rahmenbauwerk mit Fertigteilen mit T-Querschnitt und Ortbetonergänzung.

Perfekt planen

Die Gründung von Pfeiler- und Widerlagerwänden erfolgte auf eingespannten Bohrpfählen. Darauf wurden fugenlose Widerlager- und Pfeilerwände errichtet. Der Überbau schließlich wurde aus vorgespannten Fertigteilen, Ortbetonergänzung und Kontinuitätsvorspannung realisiert. Im ersten Schritt wurden dabei die Fertigteilträger verlegt. Diese kamen werkseitig mit einer Vorspannung mit nachträglichem Verbund und inklusive Hüllrohren für die spätere Kontinuitätsvorspannung.

Dabei waren die Anschlussbewehrungen von Wänden und Fertigteilen exakt aufeinander abgestimmt und mussten daher sehr präzise hergestellt werden; bei der Rollbrücke OST 1, die nun eine Gesamtbrückenfläche von 20.000 m² aufweist, sind es insgesamt 275 Fertigteilträger, die die Bauunternehmen montieren mussten. Diese wiegen zum Teil bis zu 95 t pro Stück. Dabei ist jedes Fertigteil ein Unikat. Bemessung und Bauablauf sind aufeinander abgestimmt gewesen: Das bedeutet, dass, bevor die Ortbetonplatte aufgebracht werden konnte, zunächst die Rahmenwirkung der Gesamtkonstruktion realisiert werden musste, weshalb Bereiche an den Wandköpfen vorab zu bewehren sowie auch zu betonieren waren.

Eine weitere Herausforderung bot die Betonage der Brückenfläche: rund 20.000 m³ Beton in nur einem Abschnitt und lediglich 60 Stunden. Schließlich wurden final die Kontinuitätsspannglieder eingeschossen und vorgespannt.

So einfach wie möglich, so komplex wie nötig

Dipl.-Ing. Stephan Schmidt, Projektverantwortlicher für Entwurfs- und Ausführungsplanung beim Büro Dr. Binnewies, betont die enorme Wichtigkeit einer einfachen Dokumentation bei derart hoher Komplexität der Maßnahme. Diese sei nur dann möglich, wenn nahezu alle Aufgaben mit Hilfe einer Softwarelösung abgewickelt werden. Nur so könne eine wirtschaftliche Projektbearbeitung erfolgen, da sich der Datenaustausch zwischen verschiedenen Programmen auf ein Minimum reduziert.

Die Entscheidung fiel auf eine neuartige und bis zu diesem Zeitpunkt noch selten in der Praxis erprobte Lösung von RIB. So kam für die Gesamtmodellage der Rollbahnbrücken, die Bemessung der Pfahlkopfbreiten und Widerlagerwände sowie für die Ortbetonergänzung das RIB-System PONTIbetonverbund zum Einsatz. Stephan Schmidt: "Wir haben großen Wert darauf gelegt, ein Modell zu konzipieren, das einfach in der Handhabung ist, jedoch auch die notwendige Komplexität mit sich bringt." Dies ermöglichte PONTIbetonverbund in der neuesten Ausprägung. Um unter praktischen Bedingungen optimal mit der Software zu arbeiten, boten die Experten der R&D-Mannschaft der RIB Engineering GmbH Schmidt und seinem Team umfassende Unterstützung bei der anspruchsvollen Aufgabe.

Der Erfolg in der Planung spricht sowohl für eine hohe Qualität des Produkts als auch der Kommunikation zwischen Softwarehersteller und Ingenieuren des Büros Dr. Binnewies. So mussten lediglich Detailnachweise manuell vorgenommen werden, etwa Brandschutz- oder Erdbebennachweise. Für die Pfahlbemessung kam mit der Software ZWAX ein weiteres Produkt von RIB zum Einsatz.

Da es sich bei diesen Bauwerken nicht um Standardbrücken handelt, sondern Normen der International Civil Aviation Organization (ICAO) greifen, waren die Profis vom Büro Binnewies gefordert, Regeln aus dem Bereich Straßenbrücken auf die Spezialbauwerke auf dem Rollfeld zu übertragen. Denn die ICAO-Richtlinien beinhalten erforderliche Regularien für Planung und Bau in dieser Form nicht.

Referenzen

Kelsterbach, Groß-Gerau (Kreis), Hessen, Deutschland (2011)

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    5990
  • Veröffentlicht am:
    09.08.2012
  • Geändert am:
    12.01.2015