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Allgemeine Informationen

Fertigstellung: August 2013
Status: in Nutzung

Bauweise / Bautyp

Konstruktion: Trägerrost
Funktion / Nutzung: Eingang
Baustoff: Stahlbauwerk / -konstruktion

Preise und Auszeichnungen

2015 Einreichung  

Lage / Ort

Lage: , ,
Koordinaten: 50° 6' 48.58" N    8° 38' 32.56" E
Koordinaten auf einer Karte anzeigen

Technische Daten

Abmessungen

überdachte Fläche ca. 593 m²
lichte Höhe ca. 4.55 m
Gesamtgewicht ca. 110 t

Messe Frankfurt – Überdachung Tor Nord

Die Messe Frankfurt lobte im Jahr 2008 einen Architekturwettbewerb für den Entwurf der Neugestaltung der Eingangssituation zum Messegelände aus. Für die Tore Süd und Nord sollten jeweils ein Wachgebäude und eine Überdachung als Ersatz für die bisherigen provisorischen Wachcontainer entworfen werden. Ziel war es, das Wachpersonal besser vor Wind und Wetter zu schützen und die neuen Zufahrten als ein weithin sichtbares Zeichen zu akzentuieren.

1. Architektur

Der Siegerentwurf des Architekten Ingo Schrader, Berlin, der in enger Zusammenarbeit mit den Tragwerksplanern Bollinger + Grohmann entstand, sah für die beiden Standorte jeweils ein kreisförmiges Dach von ca. 25 m Durchmesser vor, das auf pyramidenförmigen Stützen ruhte.

Die Kreisform der Dächer ermöglicht die freie Anordnung von Stützen, da sie keinem festen Raster unterworfen ist. Dies bietet entscheidende Vorteile in Hinblick auf die sehr stark eingeschränkten Möglichkeiten der Gründung an den beiden Standorten. So konnten die Stützenpositionen entsprechend den örtlichen Gegebenheiten frei gewählt werden, das Tragwerk des Daches bildete, ausgehend von der Dachkontur und den definierten Auflagerpunkten eine unregelmäßige Struktur aus sich kreuzenden Trägern. Schlanke Tragprofile aus Flachstahl mit variabler Höhe sind zu einer leistungsfähigen Tragstruktur arrangiert.

Die gestalterischen Vorgaben waren eine maximale Lamellenhöhe von 60 cm, die minimale Bauhöhe von 15 cm, gleiche Höhe an den Schnittpunkten und ein linearer Verlauf der Trägerkontur zwischen den Kreuzungspunkten. Ohne die statische Berechnung im Einzelnen nachvollziehen zu können, erschließt sich dem Betrachter dennoch die strukturelle Logik, da das Ergebnis natürlichen Strukturen ähnelt.

Der Entwurf für ein weiteres Dach mit einem rechteckigen Grundriss für das Tor West folgte unmittelbar im Anschluss an den Wettbewerbsgewinn. Im weiteren Verlauf wurde die Realisierung der Dächer der Tore West und Süd zurückgestellt und zunächst nur der Entwurf für Tor Nord weiter entwickelt. Im Zuge der weiteren Planung wurde die ursprüngliche Kreisform des Daches am Tor Nord zu einem Oval gestreckt, um es besser der Örtlichkeit mit den zu überdachenden Funktionen anzupassen.

2. Konstruktion

Das Ovaldach am Tor Nord misst 42 x 18 m, bei einer maximalen Bauhöhe der Lamellen von 60 cm und einer Auskragung von bis zu 10 m. Am Rand ist das Tragwerk nur 15 cm hoch. Die vier pyramidenförmigen Stützen bilden den Kräfteverlauf ab und wirken durch ihre Dreiecksform besonders schlank. Das Dach scheint zu schweben.

Die Gründungsmöglichkeiten auf der bestehenden Straßenbrücke am Tor Nord erforderte eine unregelmäßige Stützenstellung. In einem mehrstufigen Optimierungsprozess wurde dafür ein asymmetrisches Dachtragwerk entwickelt, das aus nicht hierarchisch angeordneten Flachstahllamellen variierender Höhe besteht. So entsteht ein Trägerrost aus gevouteten Flachstählen, die in ihren Knotenpunkten verschweißt werden. Den ellipsenförmigen Dachrand bildet ein auf die Flachstahlträger aufgesetzter ungleichschenkliger Winkel, der statisch zur Stabilisierung herangezogen wird. Der Trägerrost liegt auf vier sich verjüngenden Stützen auf, die alle am Fußpunkt eingespannt sind.

Die Dachfläche ist mit großflächigen Sperrholzplatten eingedeckt, die eine Polyurethanbeschichtung als Dachabdichtung aufweisen. Einzelne Felder zwischen den Trägern sind als offene oder verglaste Oberlichter ausgespart. So dringt Tageslicht unter die große Dachfläche und streift vereinzelt die Dachstruktur. Unregelmäßige Lichtflecken ergeben sich je nach Tageszeit und Wetterlage und erinnern an die Stimmung unter dem Blätterdach eines Baumes.

Das gesamte Dach ist weiß lackiert. Die Materialität tritt gegenüber der Geometrie in den Hintergrund. 75 Tonnen Stahl und 600 qm Dachfläche wirken leicht und immateriell. Die signifikante Form einer schwebenden großen weißen Scheibe mit der charakteristischen Untersicht wirkt als weithin sichtbares Zeichen sowohl von der Theodor-Heuss-Allee und den Zufahrtsstraßen, als auch von den umliegenden Hochäusern aus. Auch bei Dunkelheit wird durch die flächige, indirekte Beleuchtung der Dachuntersicht ein unverwechselbarer Akzent an dieser städtebaulich bedeutsamen Stelle gesetzt.

2.1. Parametrisches Design und Strukturoptimierung

Die größte Herausforderung für die Tragwerksplaner bestand in den ersten Planungsphasen darin, die Lage der Stützen mit der Dachgeometrie in Einklang zu bringen. Aufgrund der asymmetrischen Position der Stützen schied ein hierarchisches Tragwerk mit Haupt- und Nebenträgern aus, Die Konstruktion sollte in der Detaillierung minimalistisch sein, ein Ansatz, der sich auch in der Wahl der Querschnitte als Flachstahllamellen zeigt.

Die Lage der Lamellen und ihre Querschnittsgeometrie wurden in einem zweistufigen Optimierungsprozess ermittelt. Mit Hilfe eines parametrischen Entwurfsskriptes, das direkt mit einem Berechnungstool verbunden war, konnte man in einem ersten Schritt die optimale Lage der Lamellen definieren. In einem zweiten Schritt wurde die Höhe und Dicke der Lamellen in Abhängigkeit von den aufnehmbaren Spannungen des Materials und unter Begrenzung der maximalen Verformungen optimiert. Die optimierte Voutung der Lamellen ergibt somit gleichzeitig ein strukturelles Ornament mit hohem Wiedererkennungswert.

Die generative Entwicklung und Optimierung der Geometrie und die daran anschließende Strukturoptimierung erforderten in den frühen Planungsphasen eine andere Herangehensweise an den Tragwerksentwurf. Die Detailausbildung und die herstellungsbedingten Parameter mussten bereits vor der Geometriefindung gegenüber den strukturellen Parametern gewichtet werden, um eine geeignete Balance zwischen wirtschaftlicher Realisierung, erforderlicher Stahltonnage und dem Design zu finden. Mit der Geometriefindung und -optimierung war die Ausdimensionierung des Tragwerks für die relevanten Bauteile abgeschlossen und die Parametrisierung des Modells ermöglichte einen direkten Export der gefundenen Geometrie in die Werkstattplanung.

3. Zusammenfassung

Die entwickelte Struktur für das Dach ermöglicht zum einen eine Anpassung an unterschiedliche und unregelmäßige Stützenpositionen und Dachgeometrien. Zum anderen erfüllt sie mit ihrem großen Wiedererkennungswert den Wunsch des Bauherrn nach Signifikanz.

Das Tragsystem stellt gerade vor dem Hintergrund der komplexen Anforderungen der Standorte einen alternativen Ansatz zu konventionellen - hierarchisch organisierten Strukturen dar.

Die angestrebte Einheit von Struktur und Gestaltung, von Architektur und Konstruktion - ohne weitere Verkleidungen oder Applikationen - spiegelt zudem die integrative Zusammenarbeit zwischen Architekt und Tragwerksplanern wieder.

Erläuterungsbericht von B+G Ingenieure Bollinger und Grohmann GmbH zur Einreichung beim Ulrich Finsterwalder Ingenieurbaupreis 2015

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Relevante Literatur

  • Über diese
    Datenseite
  • Structure-ID
    20065910
  • Veröffentlicht am:
    26.01.2014
  • Geändert am:
    17.05.2015
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